Persönlichkeitsstil und Persönlichkeitsstörung
Wer meint, das der Begriff “Persönlichkeitsstörung (Strukturstörung)” hinreichend definiert ist irrt. Bei meiner Recherche bin ich auf verschiedenste Definitionen gestoßen.
Einige Psychologen vertreten die Meinung, das der Unterschied einer Persönlichkeitsstörung zum Persönlichkeitsstil graduell ist:
Das entscheidende Kriterium für eine Persönlichkeitsstörung ist, dass jemand unter seinen Persönlichkeitsmerkmalen leidet und durch sie in seiner persönlichen, sozialen oder beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Außerdem ist eine Störung der Persönlichkeit oft auch für die Mitmenschen belastend – was auch für den Betroffenen selbst zu typischen zwischenmenschlichen Problemen führt. (therapie.de)
Je mehr der Persönlichkeitsstil also zur Persönlichkeitsstörung wird, desto belastender und leidvoller wird das Erleben des Menschen.
Eine andere Definition beschreibt den Unterschied qualitativ:
Der Persönlichkeitsstil einer Person ist dadurch gekennzeichnet, dass die Person mit ihrem spezifischem Verhalten etwas Positives erreichen möchte. Sie erhält in diesem Fall für gewöhnlich eine positive Verstärkung. Die Person kann dieses Verhalten aber auch sein lassen ohne dadurch massive unangenehme Gefühle zu erleben.
Im Unterschied dazu zielt das Verhalten von Personen mit einer Persönlichkeitsstörung eher darauf ab, eine Situation die sie als subjektiv existenzbedrohend wahrnehmen, zu vermeiden. Das bedeutet, dass ihr Verhalten durch eine negative Verstärkung (z.B. ständige Angstvermeidung) hervorgerufen wird. (psychowissen)
Hier haben Persönlichkeitsstil und Persönlichkeitsstörung eine entgegengesetzte Qualität: Der Persönlichkeitsstil will etwas positives im Innen und Außen erreichen, die Persönlichkeitsstörung ist eine Abwehr bedrohlichen Erlebens.
Ich bin doch keine Störung, oder??
Der Begriff Persönlichkeitsstörung wird von einigen Psychologen hinterfragt, da er sehr negativ besetzt ist:
Einige Fachleute kritisieren die Idee, von einer „Persönlichkeitsstörung“ zu sprechen. Sie argumentieren, dass jeder Mensch eine ganz individuelle Persönlichkeit hat und es deshalb schwierig ist, Menschen mit bestimmten Merkmalen, die vielleicht für die Umwelt besonders belastend sind, als „gestört“ zu bezeichnen. Der Begriff „Persönlichkeitsstörung“ würde Menschen stigmatisieren und nahe legen, dass sie allein für ihre Störung verantwortlich seien. Dabei würden andere Faktoren, die das spezifische Verhalten ausgelöst und geprägt hätten, zu wenig berücksichtigt – zum Beispiel ein problematisches Verhalten der Eltern und anderer nahe stehender Menschen, aber auch problematische Aspekte der Gesellschaft.
Deshalb schlagen manche Psychotherapeuten wie Peter Fiedler oder Rainer Sachse vor, statt von „Persönlichkeitsstörungen“ besser von typischen Störungen des Verhaltens, des Denkens und der zwischenmenschlichen Beziehungen zu sprechen. Mit dieser Sichtweise könnten sich auch die Betroffenen besser identifizieren – denn viele würden durchaus Probleme im Kontakt mit ihren Mitmenschen bemerken. Die wenigsten seien dagegen der Ansicht, dass sie eine „gestörte Persönlichkeit“ hätten. (therapie.de)
Leider dreht es sich hierbei wirklich nur darum, welchen Namen das Kind hat. eine typische Störungen des Verhaltens, des Denkens und der zwischenmenschlichen Beziehungen macht schließlich schon alles aus, was wir als unsere Persönlichkeit bezeichnen könnten.
Strukturstörung
Eine Persönlichkeitsstörung wird auch als Strukturstörung bezeichnet, die die (Un)Fähigkeit zur Regulation von Zuständen, Gefühlen und Beziehungen beschreibt. Was ist darunter zu verstehen? z.B:
- Gefühle und Erregungszustände regulieren können: Raste ich aus, wenn ich das Gefühl habe z.B. unangemessen behandelt zu werden oder versinke ich in einen depressiven Zustand?
- sich selbst als lebendig wahrnehmen können: Versinke ich oft in Zustände von Taubheit, Sinnlosigkeit und Agonie?
- deutlich machen können, wenn man etwas will oder nicht will: Kann ich zu meinen Bedürfnissen und Wünschen stehen, oder passe ich mich denen anderer Menschen an?
- andere Menschen emotional verstehen und sich in sie hineinversetzen können: Kann ich empathisch fühlen, was in anderen Menschen vor sich geht, oder kann ich nur meine eigenen Gefühlszustände wahrnehmen?
- sich auf eine Bindungen einlassen können: Oder empfinde ich eine Bindung schnell als Eingriff in meinen persönlichen Freiraum?
- destruktive oder überlebte Bindungen lösen können: Oder bin ich süchtig/abhängig von einer Beziehung zu einem Menschen?
Das sind nur einige Merkmale einer Strukturstörung, sie machen aber schon deutlich, wie nahe viele Menschen der Definition Persönlichkeitsstörung/Strukturstörung sind. Auch ich kann mich in einigen Punkten wiederfinden.
Das Maß der Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, bzw. der Bereich, in dem mir das nicht mehr möglich ist, wird auch als “window of tolerance” bezeichnet und ist bei Menschen mit einer Strukturstörung fast immer eingeschränkt. Unterhalb der unteren Grenze (leer, sinnlos, kraftlos) oder über der oberen Grenze (übererregt, ständig in Bewegung).
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